„Ohhhh nein, Netz!“ Und dann hat´s gekracht. Irgendwie geht es total schnell und doch spielt sich einiges wie in Zeitlupe ab. Der erste Gedanke, als ich im Schnee hinter dem Sicherheitsnetz und im zweiten – eher unüblichen Fangnetz – lag, war sehr prägend für mich.
„Warum tu ich mir den Scheiß an?“ war mein erster Gedanke. Die Antwort folgte sofort. „Weil Speedfahren einfach lässig ist und das Gefühl einen schnellen Schwung zu fahren ein mega Gefühl ist!“
„Scheiße, die WM in Cortina wird sich nicht mehr ausgehen, aber Olympia nächstes Jahr könnt sich ausgehen.“
Nicht die Schmerzen, das Ausscheiden beim Rennen oder der Sturz an sich hat mich in den ersten Momenten beschäftigt. Nein! Es war sofort wie es weitergehen wird. Zuerst recht weit in die Zukunft, wie ich finde, mit dem sportlichen Ziel (Olympia in der nächsten Saison) und dann die Gedanken: Was hat mein Knie? Wie schwer ist die Verletzung? Zu welchem Arzt will ich gebracht werden?

Die Hoffnung und der Wunsch „nur“ einen Kreuzbandriss zu haben waren sehr groß, innerlich wusste ich aber, dass mehr kaputt ist in meinem Knie. Als Sportler kennt man seinen Körper recht gut und weiß, wenn etwas nicht passt. Alleine der Anblick der Schwellung im Knie verhieß nichts Gutes. Als ich die endgültige Diagnose am Abend in Hochrum von Dr. Fink bekam, konnte ich im ersten Moment nicht wirklich viel damit anfangen. „Nici es ist leider fast alles kaputt in deinem Knie! Wir müssen jetzt sehr gut beobachten was dein Bein macht, denn wir wissen nicht genau wie es mit den Blutgefäßen aussieht. Sie wurden stark überdehnt und könnten in den nächsten Tagen noch Probleme machen!“ „Ah ok“ war meine erste Reaktion. „Aber es fühlt sich alles normal an und ich fühl mich echt gut, was wird schon sein!“ Mit dieser positiven und vielleicht auch etwas naiven Einstellung habe ich den Gedanken, die Gefäße könnten nicht halten, einfach beiseitegeschoben. Am nächsten Morgen haben wir über den weiteren Verlauf gesprochen und gemeinsam die Entscheidung getroffen mich nach Graz zu bringen.
Die Verletzung war so schwer und es würde mehrere Operationen brauchen – da wollte ich in der Nähe meiner Heimat sein. Angekommen bei Dr. Mandl im UKH Graz waren meine ersten Worte zu ihm: „Hey Doc, i bin die Nici. Bitte flick mi wieder zusammen. Nächstes Jahr ist Olympia!“ Etwas ungläubig hat er mich dann angeschaut und gesagt: „Ja schauen wir mal, aber zuerst fixieren wir mal dein Knie und dann schau ma weiter!“
Nicht mal in diesem Moment wäre ich auf den Gedanken gekommen es könnte mit dem Skifahren nichts mehr werden. Ich war immer auf mein Comeback fokussiert, egal wie die Situation war. Für meine Ärzte war es sicher keine einfache Situation. Vor allem bei der Schwere meiner Verletzung will auch niemand eine Prognose abgeben, ob und wann es mit Leistungssport wieder klappen kann. Es gab immer wieder Diskussionen, weil ich Einiges schneller haben wollte als es die Medizin erlaubt und dann kam schon mal der Einwurf der Ärzte. „Nici, weißt du eigentlich wie schwer deine Verletzung ist? Wie knapp es war mit deinem Bein? Wir sehr happy sind, wenn du wieder normal gehen kannst!“
BOOM – da kommt man mal auf den Boden der Realität zurück. Positive Einstellung hin, ein Ziel vor Augen her. Die Realität gehört dann doch auch noch dazu!
„Mindset kann den entscheidenden Unterschied ausmachen.“
In dieser Zeit ist ein Ziel zu haben die größte Motivation. Für mich sind es die Olympischen Spiele in der kommenden Saison. Ob das möglich ist, wird man sehen. Ich habe mir viele kleine Etappenziele gesetzt, denn jeder kleine Erfolg erhöht die Motivation weiter zu machen, egal wie anstrengend es ist. Die Freude, wieder ein Stück geschafft zu haben, weckt neue Lebenskraft, um die nächsten Ziele zu erreichen oder zu setzen. Negative Gedanken gibt es immer wieder. „Sind wir schnell genug in der Reha? Machen wir genug für die Beweglichkeit? Geht es sich aus bis zum Winter, um fit zu sein?“ usw.
Immer wieder tauchen diese Gedanken und Fragen auf, aber ich lass sie nicht wirklich ran an mich! Ich arbeite jeden Tag daran besser zu werden und Neues zu lernen, um so bald wie möglich wieder in mein normales Training einsteigen zu können.
Bei der ganzen harten Arbeit auf meinem Weg zurück, die nicht nur ich, sondern mein ganzes Umfeld reinsteckt, darf der Spaß nicht zu kurz kommen. #Funfirst ist einer meiner Lieblings-Hashtags! Mit Spaß geht Vieles leichter von der Hand und man bleibt immer positiv. Wenn man am Morgen aufwacht und die Sonne scheint, ist man doch automatisch gut gelaunt und so sollte es eigentlich jeden Tag sein – egal wie das Wetter ist. Denn am Ende kommt es darauf an was du aus dem Tag machst. Lässt du ihn einfach vor sich hingleiten oder nützt du ihn, um besser zu werden oder dir mal richtig Ruhe zu gönnen? Immer nur Gas zu geben ist nicht der richtige Weg. Es sollte schon eine gute Abwechslung sein, in meinem Fall aus Training und Regeneration! Wer es schafft einen guten Ausgleich zwischen von Stress und Erholung zu finden, ist den meisten Menschen weit voraus und in Summe viel entspannter, was wiederum dem Körper und Geist sehr gut tut.
Um entspannter zu werden und einen guten Ausgleich zu finden, gehe ich sehr gerne in die Natur. Die Ruhe im Wald oder auf einem Berg ist einfach genial! Es gibt mir die Möglichkeit nachzudenken ohne irgendwelchen Störgeräuschen ausgesetzt zu sein. Der Lärmpegel in unserer Umgebung hat in den letzten Jahren stark zugenommen und Ruhe zu finden scheint immer seltener und schwieriger zu werden. Einfach einen Schritt nach dem anderen zu machen und dabei voll und ganz im Gedanken zu versinken, zu reflektieren was einem alles so passiert ist in letzter Zeit, vielleicht auch einfach mal an nichts zu denken oder neue Pläne zu schmieden. Wie oft gelingt uns das eigentlich noch? Von allen Seiten werden wir mit allem Möglichen beschallt, doch in der Natur muss man oft genau hinhören, um was zu hören. Der kleine Bach, der sich hinter dem Hügel versteckt. Das Vogelgezwitscher im Wald. Das Rauschen der Bäume. Und noch vieles mehr bietet uns die Natur. Und außerdem ist es gratis und für jeden und jederzeit zugänglich.

Ein weiterer Ausgleich ist für mich zu lesen, Musik zu hören und verschiedene Sportarten anzuschauen. Wenn es erlaubt ist live in einem Stadion und sonst im TV. Sport ist für mich allgegenwärtig und ein wichtiger Teil meines Lebens. Meine ganze Einstellung zum Leben und darüber hinaus hat sich über meine sportliche Karriere entwickelt. Nicht nur als Gewinner oder Sieger kann man glücklich sein – eine top Leistung und ein fünfter Platz können genauso glücklich machen. Zum Gewinnen muss schon alles zusammenpassen. Wenn man aber sein Können voll ausgeschöpft hat und am Ende ein fünfter Platz dabei rausschaut, kann und sollte man zufrieden sein und weiter an sich arbeiten, damit es beim nächsten Mal zum Sieg reicht!
Sei dankbar für das, was du hast, während du für das arbeitest, was du willst!

Eine Antwort
Alles Gute Nici – du packst das!