Sehr oft im Leben geht es nur um die eigene Person, den eigenen Erfolg, das eigene Geld und das eigene Glück. Liegt der Schlüssel des eigenen Erfolges und Glückes vielleicht doch im Blick auf Andere und Anderes?
In unserer schnelllebigen Zeit und Gesellschaft streben wir unbewusst nach mehr, größer, schneller und besser. Mehr Geld und Ruhm, größere Häuser und Autos, schnellere Verbesserungen und Veränderungen, bessere Ergebnisse und Erfolge. Dennoch sollte man manchmal innehalten und kurz reflektieren wie gut es uns bereits geht. Dass wir mit dem, was wir haben, eigentlich so glücklich und zufrieden sein können. Und vor allem dankbar!
Dazu eine kleine Geschichte: vor knapp zwei Jahren war ich in Tansania. Mit der Organisation Jambo Bukoba, für die ich Botschafterin bin. Das Erlebnis vor Ort war intensiv, emotional und nachhaltig beeindruckend. Natürlich bereitet man sich auf solch einen Trip vor: medizinisch, informativ und emotional – soweit das möglich ist. Vor Ort habe ich aber eines realisiert: all diese Maßnahmen haben mich nicht annähernd darauf vorbereitet, was ich dort erlebt habe. Gemeinsam mit Clemens und Andreas, dem Chef von Jambo Bukoba und einem Münchner Journalisten, sind wir in Nairobi, Kenia, gelandet. Von dort ging es mit dem Auto über Uganda in den Norden von Tansania, Bukoba. Innerhalb der ersten und nur wenigen Stunden ist mir zum ersten Mal fast der Atem weggeblieben: Chaotische Verkehrsverhältnisse, dreckige Luft, nackte und abgemagerte Kinder auf den Straßen, Baracken als Familienhäuser und Shops. Und im Gegensatz dazu lachende Gesichter, sich unterhaltende Erwachsene, spielende Kinder und das Gefühl, als gäbe es keinen Stress und kein Zeitgefühl an diesem Ort der Welt.
Nach ein paar Tagen Akklimatitionszeit war ich angekommen. Oder eigentlich mitten drin in jenem Leben, wie wir es vielleicht nur aus Filmen und Erzählungen kennen. Internetverbindung? Fitnessstudio? Restaurantoptionen? Kam erst gar nicht in Frage, denn das gibt es dort nicht.
Der dritte Tag blieb mir am stärksten und intensivsten in Erinnerung: Zuhause auf Besuch bei Liberatha, einem Mädchen aus der Mannschaft, die ich am Tag davor noch trainierte und kennenlernte. Und ich hatte das Privileg, sie zu“hause“ bei ihrer Familie besuchen zu dürfen. Von Haus ist hier aber nicht die Rede. 10 Leute in einem Raum von circa 20 Quadratmetern. Dunkel, dreckig, eng. Mit all meinen Sinneswahrnehmungen habe ich gesehen, gerochen und gehört, wie sich das Leben hier anfühlen muss. Ich hatte anfangs Gänsehaut, habe mich dann aber komplett auf diese Verhältnisse eingelassen, um der Familie näher sein zu können und annähernd zu verstehen, wie man hier überlebt.
Und dann das Absurde und Schöne: sie lachen zusammen, sie raffen sich zusammen und sie halten vor allem zusammen! Denn sie haben so wenig, das sie besitzen und nehmen: kein Geld, kein Auto, kein Haus, keine Spielsachen, keine Technikgeräte. Und doch geben sie so viel: ihren Nachbarn Lebensmittel, ihren Kindern Liebe, ihrer Familie ein Daheim, ihren Freunden Zeit und einer Viktoria Schnaderbeck Aufmerksamkeit, Gastfreundschaft und ganz viel Wärme. Und wieder mal erkennt man, dass die Art des Gebens viel wichtiger ist als die Gabe selbst.
Plötzlich nimmt mich Liberatha an die Hand und führt mich stolz durch ihr Zuhause. Vom Wohnzimmer führt sie mich in ihr Schlafzimmer, das sie mit ihren Eltern und zwei Geschwistern teilt – sie schläft am Boden und die vier anderen in dem kleinen Bett. Unvorstellbar für uns. Danach zeigt sie mir stolz ihre Küche, wo sie immer mithilft und das Wasser bunkert, welches sie täglich in den Morgenstunden vom Brunnen holt – zu Fuß und barfuß. Ein kleiner dunkler Raum außerhalb des Hauses, der wie eine alte Abstellkammer wirkt und wo für 10 Personen gekocht wird.

Danach führt sie mich an ihrer Hand weiter. Mitten im Wald – zwischen Insekten und Bäumen – steht ein bambusgeschütztes Versteck, das ihr Badezimmer ist: die Kübel für das Duschen und das Erdloch für das Klo gehen. Danach geht sie ganz aufgeregt voran – mich immer noch an der Hand führend – durch den Wald, vorbei an anderen Nachbarskindern Richtung Brunnen – dort wo sie täglich ihr Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen holt. Und der Ausblick ist atemberaubend. Hier stehe ich mitten auf einer Anhöhe bei untergehender Sonne mit weitem Blick über den Victoriasee. Und es fühlt sich einfach nur schön an. Und ich bin tief berührt.

Als ich nach diesem Tag in meinem Bett liege und an all die Armut, die Bedingungen vor Ort und dann aber an diese inspirierenden beeindruckenden Menschen denke, die ich heute kennengelernt habe, kommt mir ein Spruch des kleinen Prinzen sofort in den Sinn: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.Ich glaube, dass wir, die hier auf LinkedIn ein Profil besitzen, Artikel verfassen, Nachrichten schreiben, etc., von diesen Leuten ohne Social Media und Besitz, sehr viel lernen können.Sie haben eines verstanden. Es ist auch mein persönliches Erfolgsgeheimnis: Das Leben besteht aus Nehmen, doch viel mehr aus Geben. Mit all dem, was wir geben, bekommen wir auch so viel zurück. Ich habe in meiner Zeit in Afrika meine Zeit geschenkt, Trainingssachen und Kleidung verschenkt, habe aber so viel mehr zurückbekommen. DANKE Bukoba!

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